28.08.2024 ● Redaktion agrajo
Selbstständig in grünen Berufen: Wichtige Fragen und Antworten
Welche Vorteile kann eine Selbstständigkeit bieten?
Das Leben als Angestellter ist vor allem eines: Geregelt und abgesichert. Es gelten Arbeitszeitlimits, Mindestlöhne, Urlaubsansprüche, Ansprüche auf Gehalt und noch vieles mehr.
Als Selbstständiger hingegen hast du kaum etwas davon, sondern bist für alles selbst verantwortlich. Im Gegenzug bedeutet das jedoch einen ungleich größeren Grad an Freiheit: Du hast eine viel größere Entscheidungsbefugnis über alles, was dein Arbeits- und Privatleben betrifft.
Zumindest in der Theorie wirst du entscheiden, wann du morgens anfängst und wann abends Schluss machst. Keiner wird dir vorschreiben, wie du eine Aufgabe zu erledigen hast. Du darfst (aber musst auch) das ganze Thema Versicherungen und Absicherungen eigenhändig angehen. In den meisten grünen Berufen hast du beispielsweise die Wahl, in eine private Krankenversicherung zu wechseln – unterliegst aber der Notwendigkeit, hierbei für dich allein den richtigen Weg zu finden.
Natürlich, in vielen Sparten der grünen Berufe setzen der Lauf der Jahreszeiten und die Bedürfnisse von Tieren und Pflanzen dir Limits. Ebenso gibt es eine Menge Gesetze zu beachten. Abseits davon kann man es jedoch folgendermaßen zusammenfassen:
Ein Selbstständiger hat im Vergleich zu Angestellten in jeglicher Hinsicht die Zügel in der Hand und dadurch mehr Freiheiten. Gleichzeitig kommt damit automatisch der Zwang zu viel mehr Eigenverantwortung. Vor allem letzteres musst du mitunter erst erlernen, je nachdem, wie dein bisheriger Lebens- und Berufsweg aussah.
Darf jeder sich in grünen Berufen selbstständig machen?
Grundsätzlich gilt in Deutschland eine grundgesetzlich verbriefte Gewerbe- und Berufsfreiheit. Heißt, jeder darf sich seinen Job völlig frei auswählen. Bei Selbstständigkeiten gibt es jedoch gewisse Einschränkungen. Genauer: In vielen Berufen sind irgendwelche Mindestvorgaben zu erfüllen, um sie selbstständig betreiben zu können.
So gilt in vielen Handwerksberufen der sogenannte Meisterzwang. Hier darf man sich also – primär – nur als Handwerksmeister selbstständig machen. Mitunter gibt es noch Alternativen für erfahrene Gesellen.
Bei vielen grünen Berufen gibt es diesen Zwang nicht – zumindest nicht direkt. Beispielsweise darf sich jeder als Landwirt oder GaLa-Bauer selbstständig machen. Tatsächlich sogar ohne vorherige Ausbildung (wenngleich diese dringend angeraten wird). Allerdings gibt es in vielen grünen Berufen andere Hürden, die zwingend nötig sind. Denke an einen selbstständigen Revierjäger. Ohne offizielle Jagdlizenz ist es unmöglich, in diesem Beruf arbeiten zu können.
Bedeutet: Sobald du nur mit dem Gedanken spielst, dich selbstständig zu machen, solltest du für den gewählten Beruf sofort recherchieren, welche spezifischen Voraussetzungen es gibt. Da die grünen Berufe so unterschiedlich gelagert sind, lassen sich hier keine Pauschalantworten geben. Eine erste Anlaufstelle ist typischerweise die Landwirtschaftskammer deines Bundeslandes – sie ist stets für alle grünen Berufe zuständig.
Hat eine grüne Selbstständigkeit langfristige Chancen auf Erfolg?
Hier muss man für eine umfassende Antwort etwas unterscheiden, und zwar:
- Erfolg, der auf der allgemeinen Nachfrage nach der Arbeit des jeweiligen Berufs basiert. Hierfür stehen die Chancen in grünen Berufen gut bis sehr gut. Das liegt daran, weil hier sehr viele Arbeiten erbracht werden, die unabhängig von Trends und sonstigen gesellschaftlichen „Strömungen“ sind. Land- und forstwirtschaftliche Produkte etwa sind immer nötig. Zudem darfst du nicht unterschätzen, wie sehr die wachsende Umwelt-Awareness breiter Bevölkerungsschichten die Arbeit grüner Berufe fördert – erst recht, wenn es sich um besonders nachhaltige Betriebe handelt.
- Erfolg, der auf den Fähigkeiten des Selbstständigen selbst basiert. Hierbei kommt es voll und ganz auf dich an. Nicht nur Fleiß, sondern solche Dinge, wie etwa die Wünsche des Marktes korrekt bedienen zu können, sorgfältig zu wirtschaften und sehr vieles mehr.
Zu letzterem sei eine leider negative Zahl genannt: Von sämtlichen Gründungen (aller Branchen) gehen je nach Sparte 80 bis 90 Prozent in den ersten drei Jahren bankrott. Allerdings soll dich diese Zahl nicht abschrecken.
Denn ob dein Unternehmen erfolgreich wird, hängt zu enormen Teilen von dir ab. Bedeutet, du hast es weitgehend selbst in der Hand, nicht zu diesem hohen Prozentsatz zu gehören. Eine elementare Voraussetzung dafür ist es, dir einige Grundfähigkeiten anzueignen.
Was sollte ein Selbstständiger alles mitbringen außer dem reinen Berufswissen?
Eine der größten Wurzeln des Scheiterns von jungen Unternehmen ist deren Chef: Viele Neu-Selbstständige bringen zwar immenses Berufswissen ein. Das aber ist nur die Basis erfolgreicher Selbstständigkeit. Ein guter Unternehmensbesitzer muss in vielen anderen Themen ebenso „sattelfest“ sein – selbst, wenn damit die weniger schönen Seiten des Berufs verknüpft sind.
Neben dem Wissen um deinen grünen Beruf an sich benötigst du ebenfalls umfassendes Know-How in wenigstens diesen Themenkomplexen:
- Betriebswirtschaft: Also die Lehre, ein Unternehmen nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgreich zu führen; primär aus finanzieller Sicht.
- Unternehmensführung: Hiermit ist nicht Menschenführung gemeint, sondern die drei Bereiche Planung, Steuerung und Kontrolle aller unternehmerischen Belange.
- Steuerwissen: Deutschland erhebt nicht nur sehr umfassende Steuern, sondern hat ebenso ein hochkomplexes Steuerrecht. Selbst, wenn dir in der Praxis ein Steuerberater zur Seite stehen wird, musst du dennoch ein umfassendes Grundwissen besitzen.
- Marketing: Auch in den grünen Branchen verkaufen sich gute Produkte/Dienstleistungen nicht von selbst. Ein guter Selbstständiger muss deshalb ebenso ein guter Marketer sein – was definitiv nicht nur Werbung umfasst.
- (Wirtschafts-)Recht: In jedem Beruf sind zahllose Gesetze zu beachten, die sich zudem oft in Landes-, Bundes- und EU-Gesetze unterteilen. Erneut benötigst du zumindest umfassendes Basiswissen.
Diese Vielfalt ist einer der Hauptgründe, warum viele Chefs in grünen Branchen entweder einen Meisterbrief oder gar einen Hochschulabschluss besitzen. Denn auf dem Weg dorthin werden all diese Themenbereiche umfassend vermittelt. Und eines steht fest: Alles davon brauchst du im täglichen Business definitiv.
Was macht ein Garten- und Landschaftsbauer?
Steckbrief Berufsbild Garten- und Landschaftsbauer
Wie teuer ist der Weg in die Selbstständigkeit?
Das kommt primär auf die Branche an. Grundsätzlich sind viele grüne Berufe eher „hochpreisig“, weil dafür eine umfangreiche technische Ausstattung und/oder Land nötig ist. Ein typischer (hauptberuflicher) landwirtschaftlicher Betrieb in Deutschland beispielsweise hat mittlerweile im Schnitt rund 70 Hektar Fläche. Selbst wenn vieles davon gepachtet ist, musst du das Geld erst einmal besitzen.
Natürlich muss es nicht in jedem Beruf so kostspielig sein. Dennoch ist der Weg in grünen Berufen mit einem größeren Preisschild versehen als in vielen anderen Selbstständigkeiten. Allerdings gibt es vielfach zumindest Fördermittel. Einen ersten Überblick liefert dir die offizielle Förderdatenbank. Für detailliertere Informationen führt jedoch abermals kein Weg an deiner Landwirtschaftskammer vorbei.
Unterscheidet sich das Arbeitspensum stark aufgrund der Jahreszeiten?
Ja, in den meisten grünen Berufen gibt es durch den Lauf der Jahreszeiten teils enorme Schwankungen des Arbeitsaufkommens. Je stärker sich deine gewählte Selbstständigkeit direkt auf tierische oder pflanzliche Produkte fokussiert, desto mehr gilt das.
Diesbezüglich musst du jedoch zwei Dinge wissen:
- Es ist definitiv nicht so, als würden „schwache“ Jahreszeiten bedeuten, tage- oder gar wochenlang seine Ruhe zu haben. Insbesondere in der heutigen Zeit läuft es einfach nicht mehr so. In einem grünen Beruf gibt es wirklich immer etwas zu tun. Tatsächlich sind die schwachen Phasen sogar zwingend notwendig, um dann Dinge zu erledigen, für die während der von der Natur diktieren Hochzeiten keine Zeit bleibt. Auf einem Bauernhof etwa sind die Wochen zwischen Ernte und Aussaat unter anderem mit Wartung und Reparatur der ganzen Technik gut gefüllt – und was sonst noch auf dem Hof zu erledigen ist.
- Wenn besagte Hochzeiten anstehen, etwa die Traubenernte nebst anschließender Verarbeitung in einem Winzerbetrieb, dann sprechen wir definitiv davon, praktisch jede wache Minute zu arbeiten. Für viele Selbstständige reduziert sich dann sogar die Schlafenszeit, weil so viel wie möglich getan werden muss, bevor etwa das Wetter umschwingt. Nicht umsonst hört man auf dem Land in Sommernächten noch lange nach Einbruch der Dunkelheit die Schlepper, weil dann beispielsweise Winter- und Sommergetreide geerntet werden müssen.
- In nicht allen, aber vielen grünen Berufen wird zwar das ganze Jahr über gearbeitet, aber es fließt nur deutlich seltener Geld. Um erneut den Landwirt als Beispiel zu bemühen: Er erhält nur nach der Ernte seiner Produkte Geld, wenn er sie verkauft. Das lässt sich zwar durch Diversifizierung der Frucht etwas besser aufs Jahr verteilen. Dennoch gibt es einige Monate, in denen kein Cent hereinkommt – aber dennoch Ausgaben zu bestreiten sind. Du bist in solchen Branchen daher gezwungen, noch besser unternehmerisch haushalten zu können, als es sowieso der Fall ist. Starke und schwache Monate gibt es zwar in fast jedem Business, aber die Ausprägung ist in vielen grünen Berufen besonders intensiv.
Dazu noch eines: Es mag Ausnahmen geben. Und mit ausreichend Fleiß und Können wirst du als Selbstständiger durchaus gutes Geld verdienen. Aber in der Regel sind die grünen Berufe kein Gebiet, in dem man mit hoher Wahrscheinlich „steinreich“ wird. 2023 beispielsweise brachte es ein Durchschnitts-Hof auf gut 46.000 Euro Jahreseinkommen pro Arbeitskraft. Das ist etwas weniger als der (Brutto-)Durchschnittsverdienst von Angestellten – gut 50.000 Euro.
Bedeutet, wenn du dich selbstständig machen möchtest, solltest du es nicht primär des Geldes wegen tun. Dafür bieten dir alle grünen Berufe jedoch etwas, das sich nicht in Euroscheinen aufwiegen lässt.
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